Sprengerfolg in den Alpen

Reservisten des Pionierbataillon 905 testen Sprengwirkung von Mörsern, Granaten und Minen

REITERALPE, Juli 2020: Es ist ein sonniger und friedlicher Sommertag in den Berchtesgadener Alpen. Umgeben von mehreren in Quellwolken gehüllten Alpengipfeln liegt der Gebirgstruppenübungsplatz der Bundeswehr. Ein lautes, langanhaltendes Tröten hallt plötzlich über die Höhen: Sprengsignal gegeben! Es folgen mehrere Detonationen.

Was ist passiert? Im Rahmen einer groß angelegten Weiterbildung der Gebirgsjägerbrigade 23 zum Thema „Kampf aus Stellungen im Gebirge“ wurden durch das Gebirgsjägerbataillon 231 und Kräfte des Gebirgspionierbataillon 8 ein Stellungssystem in exponierter Lage errichtet. Neben den Besonderheiten beim Kampf aus Stellungen im Gebirge sollten auch die Wirkungsweisen von Steilfeuerangriffen – etwa durch Mörserbeschuss – aufgezeigt werden.

Zusammen mit Kampf- und Sprengmittelexperten der Wehrtechnischen Dienststelle für Schutz- und Sondertechnik in Oberjettenberg (WTD 52) bereiten der Sprengmeister Stabsfeldwebel Graßl sowie weitere Reservisten des Pionierbataillon 905 und aktive Soldaten des Gebirgsjägerbataillon 8 mehrere Stationen zur Erprobung von Sprengwirkungen durch Kampfmittel vor. Mit Gestein, Holzstämmen, Sandsäcken und weiterem Baumaterial werden Stellungen und Bausperren errichtet. Auch ein ausrangierter militärischer Geländewagen soll der Einwirkung durch Kampfmittel ausgesetzt werden.

Interview

Hauptmann Dittmer ist auf dem Sprengplatz Hirschwiese auf der Reiteralpe und spricht mit dem Sprengmeister Stabsfeldwebel Graßl.

Hauptmann Marco Dittmer, Presseoffizier

Hauptmann Marco Dittmer:

Ein herrlicher Tag zum Sprengen! Das Wetter hier oben auf der Reiteralpe spielt mit. Stabsfeldwebel Graßl, was haben Sie heute vor?

Stabsfeldwebel Thomas Graßl

Stabsfeldwebel Thomas Graßl:

Wir haben mehrere Stationen aufgebaut. Ein militärisches Geländefahrzeug sowie verschiedene Drahtsperren und Stellungen sollen der Detonationswirkung von Kampfmitteln ausgesetzt werden.

Dittmer: In malerischer Kulisse haben Sie hier oben auf der Hirschwiese einen Stationskreis aufgebaut. Können Sie kurz etwas zu den einzelnen Stationen sagen.

Graßl: Auf der ersten Station haben wir ein Geländefahrzeug Wolf, der mit dem rechten Vorderrad auf eine Panzermine auffährt. Der erwartete Sprengerfolg ist das Herausreißen der Vorderachse und Überschlagen des Fahrzeuges.

Dittmer: Was würde dies für die Fahrzeugbesatzung bedeuten?

Graßl: Massivste Verletzungen beziehungsweise kaum Überlebenschancen. Nicht nur durch die Sprengwirkung selbst, sondern auch durch den Fahrzeugunfall.

Dittmer: Kommen wir zu den nächsten Stationen. Es handelt sich dabei um verschiedene Bausperren, die durch jeden Pionier mit einfachen Mitteln errichtet werden können, um Truppenbewegungen zu hemmen. Welche Möglichkeiten haben wir, diese mit Sprengmitteln zu öffnen?

Graßl: Es können dafür Sprengrohre beziehungsweise gestreckte Ladungen mit formbarer Sprengmasse, aufgelegt auf einer Holzleiste oder einem Brett, verwendet werden.

Dittmer: Diese werden dann unter dem Flandernzaun oder einer anderen Drahtsperre hindurchgeschoben.

Graßl: Richtig! Dadurch wird eine Detonationswirkung nach oben erzeugt, die ein Öffnen und Zerreißen der Sperre erwirkt.

Dittmer: Auf den nächsten Stationen haben Sie verschiedene Stellungen aus Geröll, Holzbalken und Sandsäcken errichtet, die den Soldaten als Schutz vor gegnerischen Beschuss dienen sollen. Es sind sehr unterschiedliche Bauweisen der Stellungen. Wofür?

Graßl: Nun, je nach verfügbaren Baustoffen und ausreichender Zeit gibt es verschiedene Arten von Stellungen. Wir möchten aufzeigen, welche Stellungen ausreichenden Schutz für die Soldaten bei Beschuss mit einer Mörser- beziehungsweise durch Einwirkung einer Handgranate bieten.

Dittmer: Die Stellungen besitzen einen Aufbau aus Holz, um den Soldaten Schutz durch Steilfeuer von oben zu bieten. Einige wurden mit zusätzlichen Sandsäcken verstärkt, andere nicht. Was soll damit demonstriert werden?

Graßl: Wenn der Zeitansatz sehr knapp und die verfügbaren Mittel begrenzt sind kann es dazu kommen, dass nur sehr behelfsmäßige Stellungen errichtet werden. Wir haben auf den Stationen Mörsergranaten seitlich beziehungsweise obendrauf angebracht, um einen direkten Beschuss zu simulieren. Es wird sich zeigen, dass einige Stellungen zwar durch die Detonation beschädigt werden, allerdings genug Schutz für die Soldaten darin bieten. Nicht optimal ausgebaute Stellungen werden den entsprechenden Schutz nicht bieten können und die Soldaten darin durch die Wirkung der Granaten, aber auch durch Holz- und Metallsplitter schwer verletzt oder getötet.

Dittmer: Welche Materialien stehen den Soldaten im Gebirge denn zur Verfügung?

Graßl: Grundsätzlich jeder Rohstoff, den die Natur im Gebirge bietet. Gestein, Holz und Sand. So können Stellungen mit Geröll und Gestein gefüllten Drahtverflechtungen oder speziellen Drahtkörben errichtet und mit Holzbalken abgedeckt werden. Mit feinerem Füllmaterial können Sandsäcke zur weiteren Verstärkung des Aufbaus befüllt werden.

Dittmer: Vielen Dank für die kleine Führung. Wofür wird dieser Aufwand betrieben?

Graßl: Im Rahmen der Weiterbildung soll militärischen Führern die Wirkungsweise von Kampfmitteln auf ein Stellungssystem aufgezeigt werden. Das Verständnis dafür, wie wichtig ein ausreichender Ausbau von Stellungen ist, soll vermittelt werden. Auch wenn dieser viel mehr Zeit und Kraft erfordert, ist es für die Sicherheit der Soldaten unerlässlich. Daneben sollen die Sprengergebnisse auch Aufschluss für die Optimierungsmöglichkeiten beim Schutz der Stellungen, bei der Verwendung bestimmter Materialen sowie Aufbauarten geben.

Die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Sprengen werden durch die WTD 52 zur Verbesserung der baulichen Schutzmaßnahmen und als Grundlage für weitere Versuche genutzt und fließen damit in neue Vorschriften für die Truppe ein.

von Marco Dittmer

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